Fede Valverde öffnet sich: "Ich fraß alles in mich hinein und weinte stundenlang"
Die Rückrunde der Saison 2022/23 – für Federico Valverde eine der schwierigsten Phasen in seiner Karriere als Fußballprofi. Der Grund? Ehefrau Mina Bonino ist gerade schwanger mit Sohn Nummer zwei und plötzlich ist nicht mehr sicher, ob das Baby die neun Monate überhaupt überleben wird. Eine Welt bricht für das Paar zusammen. Im Interview mit der US-amerikanischen Plattform The Players Tribune spricht der 25-Jährige über die schlimmsten Monate seines Lebens.
Beim kleinen Bautista wurde eine seltene Form der Trisomie festgestellt, die in den meisten Fällen zu Tod führt und das noch vor der Geburt. "Uns blieb nichts anderes übrig als abzuwarten. Stellt euch vor, ihr hört diese Worte: 'Ihr Baby wird es wahrscheinlich nicht schaffen'. Ich kann den Schmerz nicht beschreiben", erinnerte sich der Mittelfeldspieler zurück. Partnerin Mina war durch die Verpflichtungen des Uruguayers bei Real Madrid oft allein und "litt körperlich und geistig". "Ich habe einfach abgeschaltet. Ich bin jemand, der alles in sich hineinfrisst. Es ist nicht gesund, aber ich bin ehrlich. Ich will nicht, dass mich jemand weinen sieht, nicht mal meine Familie", so der heute zweifache Papa.
"Es war die Hölle"
Leistung bringen war für Valverde inzwischen fast unmöglich, der Fokus vollkommen abhandengekommen: "Am Morgen des Spiels, als ich mich konzentrieren und entspannen sollte, lag ich im Bett. Ich dachte an unseren Sohn und drehte mich immer wieder im Kreis. Manchmal spielte ich nicht gut und das war mir bewusst, Ich konnte die Pfiffe der Fans hören. Nach den Spielen musste ich dann die Fragen der Medien beantworten und wollte weder meine Gefühle zeigen, noch sagen, was vor sich ging. Es war die Hölle. Ich gebe allen, die etwas Ähnliches durchmachen, den Rat, nicht so stur zu sein, wie ich. Man muss nicht stillschweigend leiden", öffnete sich der urugayische Nationalspieler.
"20 Stunden am Tag isoliert"
Doch das tat er: "Die 20 Stunden am Tag, an denen ich nicht beim Fußball war, war ich isoliert. Kein Handy, kein iPad. Nur Stille. Ich hatte das Gefühl, ich musste der Fels in der Brandung sein, denn alle anderen litten. Aber wenn ich allein war, weinte ich stundenlang. Ich ging 15 Minuten lang auf die Toilette und weinte zehn Minuten mit dem Kopf in den Händen." Der Medienrummel tat sein Übriges. Plötzlich wurde behauptet, Mina Bonino habe das Kind schon verloren, obwohl das Herz des kleinen Bautista noch schlug. Im April sorgte Valverde für großes Aufsehen, als er nach dem La Liga-Spiel gegen den FC Villarreal seinem Gegenspieler Alex Baena im Parkhaus des Estadio Santiago Bernabeu ins Gesicht schlug.
"An diesem Tag wurde eine Grenze überschritten"
Im Januar beim Achtelfinale der Copa del Rey hatte Baena eine Grenze überschritten, indem er sich über die Situation des Paares lustig machte: "Heul doch, dass dein Sohn nicht geboren wird", sagte der 22-Jährige und das ließ Valverde schließlich nicht mehr auf sich sitzen. "Ich möchte das Thema nicht nochmal hochholen, aber eines sagen: Auf dem Platz kann man mich fast alles nennen, das stört mich nicht. Aber es gibt bestimmte Grenzen, die überschreitet man nicht. Nicht als Fußballer, sondern als Mensch. Sprichst du über meine Familie, geht es nicht mehr um Fußball. An diesem Tag wurde eine Grenze überschritten", erklärte er.
"Ich kann nur Danke sagen"
Die Attacke zu ignorieren sehe der Offensivspieler im Nachgang zwar als die bessere Entscheidung, aber gibt zu: "Ich bin ein Mensch und manchmal muss man für sich selbst und seine Familie einstehen." Als Mina Bonino der Welt dann erzählte, was die Familie durchmachte, änderte sich alles: "Die Art und Weise, wir meine Teamkollegen und die Madridistas hinter uns standen, werde ich nie vergessen, Sie haben für immer den Respekt von mir und meiner Familie. Ich spielte einen Fehlpass und sie riefen meinen Namen. Im Bernabeu, wo die Erwartungen so hoch sind, ist das ein kleines Wunder. 80.000 Menschen, die mich an meinem Tiefpunkt unterstützten, fühlte sich wie 80.000 Umarmungen an. An euch alle: Ich kann nur Danke sagen!"
"Es ist, als hättest du Superkräfte"
Und heute ist Bautista Valverde schon fast fünf Monate alt. Die schlimmen Vermutungen der Ärzte trafen nicht ein und obwohl die restliche Schwangerschaft weiterhin unglaublich angespannt gewesen sei, ging alles gut. Mit dieser harten Zeit lernte der junge Real Madrid-Profi eine große Lektion: "Ich glaube, ich war noch nie zuvor zufrieden. Ich hatte nie das Gefühl, wirklich erfolgreich zu sein oder genug getan zu haben. Aber an jenem Morgen im Krankenhaus, als meine Frau Bautista in ihren Armen hielt, dachte ich: 'Fede, sieh sie dir an. Das ist es, du hast gewonnen'. Die beiden Söhne geben dem Paar Kraft. "Wenn du deinen Sohn ansiehst, bevor du zum Training gehst, fühlst du dich wie ein Krieger, wie Hulk. Wenn du für deinen Sohn spielst, ist es, als hättest du Superkräfte. Erst als mein Sohn geboren wurde, veränderte sich mein Leben wirklich."